Impressionen von der Buchmesse 2011

14.10. FRANKFURT. Geschäftig wie seit eh und je. Zugleich gespenstisch. Der Stand des Suhrkamp Verlages sieht aus wie ein seelenloses Hochregallager. Was macht Führung, wenn sie nur der Eitelkeit folgt? Und der Eichborn Verlag liest gegen den Untergang. Welch eine Kraft ging von Vito in seinen frühen Jahren aus? Und was richteten seine Nachfolger an!

Eine kleine Entdeckung ist die Neuausgabe der Bilder von Katsushika Hokusai im Pie-Verlag/Tokio. Die Bilder über das Verhalten der „kleinen Leute“, gezeichnet in der Edo-Zeit um 1800, sind Meisterwerke. Doch auf den 2.Blick war es auch die Rückkehr des Verlegers in mir: Die Qualität des Buches, Papier und Bindung ist hervorragend und holt meine alten Qualitäts-Werte wieder in mein Bewußtsein.

Der Streifzug  zwisschen den chinesischen Stände rundet das Bild: Soviel China war noch nie auf der Buchmesse, so glaube ich zu erinnern. Doch es ist nur aus der Ferne groß, je näher ich kam, erschienen mir die Präsentationen wie der Scheinriese des M.Ende, alles wird immer kleiner. Einige Standaufbauten wirkten wie Tsunamiwellen, sie sind es nicht. Das mit dem aufkommenden chinesischen Zeitalter bezweifele ich schon länger.

Ich erinnere mich an meine ersten Messen, 1966 oder so. Der kleine Peter betrat eine riesige Bücherlandschaft. Abenteuerlich: immer waren Entdeckungen zu machen, und ich verließ die Messe reicher. War dann gespannt auf das nächste Jahr. Meine Neugier nach mehr Wissen und Erfahrungen wuchs. Dann saß ich in der Bibliothek und unter der Bettdecke verlor ich mich in den Abenteuern.
Heute sind es ‚prominente‘ Namen, die im Mittelpunkt stehen, welche kaum Autorenschaft repräsentieren. Es sind kleine Partys, Leute tummeln sich vor Autos, das ist lächerlich. Die Bücher sind im Hintergrund, bilden die Bühne für die Auftritte. Ich träume von einer Mischung: Die Buchlastigkeit der 60er und zugleich die Lebensweise der modernen Leute. Elektronik für die Kommunikation und das Buch als Erkenntnis-&Traumort. McLuhan sprach von der Hybridisierung als Kennzeichen des elektrischen Zeitalters.

Dass ich in diesem Jahr nicht hingehen wollte, war klar. Die Arbeit an dem Roman fordert, des gleichen der Aufbau der edition. Aber als die Einladung zu einer Veranstaltung über Marshall McLuhan eintraf, entschied ich um. „The Marshall McLuhan Centennial is Now“ mit David Carson.

Auch dies Event war eine Enttäuschung. Das deutsche Publikum ist scheinbar immer noch ahnungslos, und der Referent trug wenig zur Lichtung der Vorurteile und Fehlurteile bei. Zuum Beispiel sprach er über die Linearität des westlichen Denkens. Das ist ein wunderbares Thema, die Fragen waren gut, da hätte man etwas draus machen können. Dass die elektronische Revolution in Deutschland nicht stattfand, obwohl viele Erfindungen von diesem Land ausgingen, war mit Händen greifbar. Als seien die Köpfe interessiert aber vernagelt, mir erscheint es, sie sind gut ausgebildet, kennen ihren Joyce und Homer. Aber die Eigenheiten des elektrischen Zeitalters (McLuhan) sind fremde Gedanken, die so sind, dass man sie nicht erkennt. Das kann man auch in den Beiträgen in Wikipedia anschauen, wie gering die Durchdringung des wichtigen intuitiven Denkers in diesem Land ist. Irgendwie wie die Polynesier in ihrer ersten Begegnung mit den Europäern: Sie konnten die Schiffe nicht als Schiff decodieren. Aber mir ist es bisher auch nicht gelungen, substantiell in den Diskurs einzugreifen. Der Band3 der Medienanthropologiereihe ist überfällig. Das wird eine konzentrierte Arbeit.

Trotzdem war es gut, dass ich die Reihe meiner Buchmessen-Besuche nicht unterbrochen habe. Es hätte mir wohl gefehlt.

Nachtrag: Das Ebook ist noch lange nicht präsent. Das sind Träume der Journaille. Ist noch soweit entfernt wie die Gutenberg Galaxis des alten Torontoer Katholiken. Nur die alten linken Verlage (März und so weiter) kommen als Digitaldruck daher. Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit. An die Kämpfe unserer Buchhandlung in Fulda zwischen 1975 und 1981 haben sie sich nicht erinnert. Obwohl Schroeder und viele andere damals oft bei uns waren. Eine andere Zeit. Und viele sind alt oder tot.

 

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