Breivik, Dhimioda und Sniper

Auf der wunderbaren Immigrationsbuchmesse in Frankfurt „DIE  WELT  IN  FRANKFURT  AM  MAIN“ besuchte ich u.a. die Lesung des „Literaturclubs der Frauen aus aller Welt“. Moderiert von Barbara Höhfeld bildete sie eine mir eindrückliche Erfahrung.

Die ersten Autorinnen waren Behjat Mehdizaheh aus dem Iran, welche eine anrührende Erzählung vortrug, in der die Kinder vor die Tür geschickt wurden, als eine fremde Frau zu Besuch kam. Sie waren verwundert über das Schließen der Tür, die sonst immer offen stand; so buken sie aus dem Lehm des Bachufers die kleine Familie: Sechs kleine Figuren reihten sie auf. Die älteste Tochter ging zurück zur verschlossenen Tür und dann um das Haus, drückte ihr Näschen am Fensterchen platt und sah ihre Mutter mit nacktem Unterkörper auf dem Bett liegend, die Frau an ihr zerrend, bis das kleine, butig verschmierte Wesen erschien. Nachdenklich ging sie zum Ufer zurück und buk ein siebtes Figürchen, was die Geschwister nicht verstanden.

Und die die zweite Autorin, in Kroatien wurzelnd, folgte. Die Psychologin Tamara Labas-Primorac las aus ihrer Erzählung „Das himmelblaue Hemd“, die nur im ersten Hören an der ersten anschloß. Die Protagonistin schleicht sich aus dem Familienbett, in dem ihre Töchter noch schliefen, um einen Brief ihres Mannes zu holen, der an der Front ist. Sie muss vorsichtig von Hauseingang zu Hauseingang springen, um nicht Ziel eines Scharfschützen zu werden. An einer Kreuzung verweilt sie aus Angst vor dem tödlichen Schuß und wartet auf ihre innere Stimme, die ihr das Loslaufen signalisieren wird. Vor ihren Augen löst sich eine anderen Frau mit ihrem kleinen Sohn an der Hand und läuft los: „Warum nimmt sie das Kind mit?“, als ein dumpfes Geräusch, dem eine dunkle Verfärbung auf dem blauen Hemd des kleinen Jungen folgt, zu hören ist, die Frau den leblosen Körper weitereilend hinter sich herziehend, bis sie zusammensinkt, ihren Kopf auf dem Pflaster blutig schlagend schreit, ein zweiter Knall folgt und sie liegt neben ihrem Kind im schwarzroten Blut.

Zwiefach war meine Betroffenheit. Zum einen weinte ich über diese Ereignisse, was äußerst selten ist. Zum anderen rührten mich die realen Erzählungen an meine eigene gerade abgeschlossene literarische Arbeit. Die entsprechenden Szenen in “Mara Willismood und die Kette der Irawwoon” fragen, wie diese Sniper (Spezial-Dhimioda) ticken. Mara und ihre Freunde müssen diese Frage lösen. Sie lösen sie nicht direkt. Die Verbindung zu dem aktuellen Geschehen aber ist klar

Nur wenigen ist bekannt, dass Männerclubs, denen die feige Ermordung unserer Verwandten, den Elefanten nicht mehr genügten, sich in den Jugoslawienkriegen auf den Weg machten, um dort Menschen abzuschießen. Nicht einige Männer, es waren sicherlich tausende. Sie kamen aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich usw. Zivilisierte Personen, Nachbarn, Familienväter. Alles Breiviks im Geiste, die bis heute unbescholten in der Mitte der Gesellschaften leben. Sie werden nie zur Rechenschaft gezogen werden. Was bedeutet dies für die modernen Gesellschaften der westlichen Demokratien? Niemand erzählt davon!

Breivik ist genauso wie der mordende amerikanische Offizier im Irak, die amerikanischen Soldaten, welche ihre Opfer entehren, der israelische Offizier, der einem unbewaffneten Palästinenser einen Gewehrkolben ins Gesicht schlägt bis den Figuren der obersten Tanlan in allen Ländern der Welt von einem Selbsthypnosemechanismus geblendet, der gut zu verstehen ist, aber nicht verstanden werden darf: Denkblindheit von Allen.

Das zu klären wird unter anderem das Thema des nächsten Buches sein: „Zukunft der Gegenwart“.

Bleiben sie neugierig in blutigen Zeiten, wenn sie so friedlich am Schreibtisch sitzen.

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